A2UI vs. MCP-UI: Vergleich der Benutzeroberflächen für Agentic AI
A2UI vs. MCP-UI: Vergleich der Benutzeroberflächen für Agentic AI
Textbasierte Dialoge, die oft an umständliche Frage-Antwort-Spiele erinnern, werden zunehmend von dynamischen, von der KI selbst generierten Benutzeroberflächen abgelöst. Stellen Sie sich vor, statt einen Chatbot für eine Tischreservierung mehrfach nach Datum, Uhrzeit und Personenzahl zu fragen, generiert der KI-Agent augenblicklich ein natives Formular direkt in Ihrer Anwendung. Genau diese Vision treibt die Entwicklung sogenannter „Agentic UIs“ an.
An der Spitze dieser Bewegung kristallisieren sich zwei konkurrierende technologische Ansätze heraus: Googles offener Standard A2UI (Agent-to-User Interface) und das von Anthropic initiierte und mit OpenAI weiterentwickelte MCP-UI (Model Context Protocol UI), jetzt Teil von MCP Apps. Dieser Artikel bietet einen tiefgehenden technischen Vergleich beider Protokolle, analysiert ihre grundlegenden Philosophien und gibt eine strategische Orientierung für Entwickler, Produktmanager und Architekten.
Was ist Google A2UI? Der „Native-First“-Ansatz
A2UI ist ein von Google entwickelter, unter der Apache-2.0-Lizenz veröffentlichter Open-Source-Standard, der eine standardisierte Kommunikation zwischen KI-Agenten und grafischen Benutzeroberflächen (GUIs) ermöglichen soll. Der Ansatz von A2UI lässt sich als „nativ-first“ beschreiben und basiert auf einer klaren Trennung von Struktur und Darstellung.
Die Kernidee: Ein deklarativer, nativer Ansatz
Anstatt ausführbaren Code wie HTML, CSS oder JavaScript zu senden, übermittelt der KI-Agent bei A2UI eine rein deklarative JSON-Struktur. Diese Struktur beschreibt abstrakt, welche UI-Elemente dargestellt werden sollen. Die empfangende Client-Anwendung (z. B. eine Web-App, eine mobile Flutter/SwiftUI-App oder eine Desktop-Anwendung) ist dafür verantwortlich, diese abstrakte Beschreibung zu interpretieren und mit ihren eigenen, nativen UI-Komponenten zu rendern.
- Sicherheit durch Design: Da kein ausführbarer Code übertragen wird, ist das Risiko von Code-Injection-Angriffen systembedingt minimiert. Der Agent kann nur Komponenten aus einem vom Client vordefinierten und freigegebenen Katalog anfordern (z. B. „Button“, „TextField“, „Card“). Die Kontrolle bleibt vollständig bei der Host-Anwendung.
- Nahtlose User Experience und Markenkonformität: Weil die Client-Anwendung ihre eigenen, bereits gestylten und konformen UI-Bibliotheken verwendet, fügt sich die generierte Oberfläche perfekt in das bestehende Design, die Barrierefreiheit und die Performance der App ein. Visuelle Brüche, wie sie bei iframes üblich sind, werden vermieden.
- Plattformunabhängigkeit: Eine einzige A2UI-Antwort vom Agenten kann auf unterschiedlichsten Plattformen gerendert werden. Derselbe JSON-Payload funktioniert für eine Angular-Webanwendung ebenso wie für eine native iOS-App.
A2UI wird bereits aktiv in Google-Produkten wie dem GenUI SDK für Flutter und Gemini Enterprise eingesetzt. Wichtige Partner aus dem Ökosystem, wie die Entwickler von CopilotKit und AG UI, unterstützen den Standard und treiben seine Adaption voran.
Was ist MCP-UI? Der „Resource-First“-Ansatz
Der von Anthropic initiierte und in Kooperation mit OpenAI als „MCP Apps“ standardisierte Ansatz verfolgt eine fundamental andere Philosophie. Hier wird die Benutzeroberfläche als eine in sich geschlossene „Ressource“ betrachtet, die von einem KI-Tool bereitgestellt wird.
Die Kernidee: UI als isolierte Ressource
Ein KI-Modell oder ein daran angebundenes Tool kann eine spezielle `ui://` URI zurückgeben. Die Host-Anwendung ruft diese Ressource ab, die typischerweise aus vorgefertigtem HTML, CSS und JavaScript besteht. Um die Sicherheit zu gewährleisten, wird diese Ressource nicht direkt in die Seite integriert, sondern in einer isolierten Sandbox, meist einem iframe, ausgeführt.
- Sicherheit durch Sandboxing: Die strikte Isolation innerhalb einer Sandbox verhindert, dass der Code der UI auf die Host-Anwendung oder lokale Daten zugreifen kann. Dies schafft eine robuste Sicherheitsgrenze zwischen dem vertrauenswürdigen Host und dem potenziell nicht vertrauenswürdigen UI-Code.
- Einfache Bereitstellung: Entwickler von KI-Tools können UI-Komponenten als eigenständige Web-Anwendungen (HTML/JS) erstellen und bereitstellen. Die Komplexität der Integration auf Client-Seite ist gering, da nur ein standardisierter Container (der iframe) benötigt wird.
- Potenzielle Nachteile: Der größte Kompromiss ist die User Experience. Eine in einem iframe gerenderte UI passt sich selten nahtlos an das Design der Host-Anwendung an. Styling, Schriftarten, Animationen und das allgemeine „Look-and-Feel“ können stark abweichen, was zu einem fragmentierten und weniger professionellen Eindruck führt.
Der direkte Vergleich: A2UI vs. MCP-UI
Die Wahl zwischen A2UI und MCP-UI hängt von den Prioritäten eines Projekts ab: Geht es um maximale Integration und ein natives Gefühl oder um maximale Isolation und einfache Bereitstellung?
| Kriterium | A2UI (Google) | MCP-UI (Anthropic/OpenAI) |
|---|---|---|
| Philosophie | Native-First: Sendet eine abstrakte UI-Blaupause (JSON), die nativ gerendert wird. | Resource-First: Sendet eine URI zu einer vorgefertigten UI (HTML/JS), die geladen wird. |
| Rendering-Technik | Client-seitig durch die Host-Anwendung mit deren eigenen UI-Komponenten (Angular, React, Flutter etc.). | In einer isolierten Sandbox, typischerweise einem <iframe>. |
| User Experience & Styling | Nahtlose Integration in das Design der Host-App. Fühlt sich 100% nativ an. | Oft visuell inkonsistent und erkennbar als „eingebettetes Fremdelement“. |
| Sicherheitsmodell | Deklarative Datenübertragung. Kein ausführbarer Code. Schutz vor UI-Injection. | Ausführung von Code in einer strengen Sandbox zur Isolation von der Host-Anwendung. |
| Portabilität | Sehr hoch. Ein Agenten-Payload funktioniert auf Web, Mobile und Desktop, solange ein Renderer existiert. | Hoch, solange die Client-Plattform einen Web-Renderer für die Sandbox bereitstellen kann. |
Die Rolle von OpenAIs ChatKit: Die Ökosystem-Lösung
Neben den offenen Protokollen A2UI und MCP-UI existiert mit ChatKit von OpenAI eine weitere relevante Lösung. Es ist wichtig, ChatKit korrekt einzuordnen: Es ist weniger ein offenes Protokoll als vielmehr ein hochintegriertes Framework für die Erstellung von KI-Anwendungen innerhalb des OpenAI-Ökosystems. Man könnte es mit einer „End-to-End“-Lösung vergleichen, die perfekt auf die Modelle und Dienste von OpenAI abgestimmt ist, aber im Gegenzug weniger auf Interoperabilität mit externen Agenten oder Plattformen abzielt.
Strategische Entscheidung: Welcher Ansatz ist der richtige für Ihr Projekt?
Die Wahl der richtigen Technologie ist eine strategische Weichenstellung mit direkten Auswirkungen auf Produktqualität, Sicherheit und Entwicklungsaufwand.
Wählen Sie A2UI, wenn…
- …eine nahtlose, markenkonforme User Experience oberste Priorität hat.
- …Sie die volle Kontrolle über das Design und die Sicherheit der UI-Komponenten behalten müssen.
- …Ihre Anwendung auf mehreren Plattformen (Web, Mobile) mit nativem Look-and-Feel laufen soll.
- …Sie eine zukunftssichere Architektur für komplexe Multi-Agenten-Systeme aufbauen, in denen Agenten sicher UI-Vorschläge austauschen.
Wählen Sie MCP-UI, wenn…
- …Sie schnell und einfach UI-Komponenten von Drittanbietern oder nicht vertrauenswürdigen Quellen sicher einbetten müssen.
- …die visuelle Integration eine untergeordnete Rolle spielt und eine strikte Isolation wichtiger ist.
- …die UI-Komponenten als in sich geschlossene „Mini-Anwendungen“ fungieren und keine tiefe Integration in den Host benötigen.
Fazit und Ausblick
Der Wettlauf um den Standard für agentengesteuerte Benutzeroberflächen hat begonnen, und sowohl A2UI als auch MCP-UI bieten überzeugende, aber unterschiedliche Lösungsansätze. Während MCP-UI durch seinen sandboxed Ansatz eine einfache und sichere Methode zur Einbettung externer UI-Ressourcen bietet, adressiert Googles A2UI das Kernproblem der User Experience auf eine fundamental überlegene Weise.
Der „Native-First“-Ansatz von A2UI hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir mit KI interagieren, nachhaltig zu verändern, indem er dynamisch generierte Oberflächen ermöglicht, die sich in puncto Qualität und Integration nicht von handcodierten unterscheiden. Für Unternehmen und Entwickler, die auf eine erstklassige, markenkonsistente und sichere Benutzererfahrung Wert legen, scheint A2UI der strategisch vielversprechendere Weg in die Zukunft der Agentic AI zu sein.
Tobias Jonas
Tobias Jonas, M.Sc. ist Mitgründer und Co-CEO der innFactory AI Consulting GmbH. Er ist ein führender Innovator im Bereich Künstliche Intelligenz und Cloud Computing. Als Co-Founder der innFactory GmbH hat er hunderte KI- und Cloud-Projekte erfolgreich geleitet und das Unternehmen als wichtigen Akteur im deutschen IT-Sektor etabliert. Dabei ist Tobias immer am Puls der Zeit: Er erkannte früh das Potenzial von KI Agenten und veranstaltete dazu eines der ersten Meetups in Deutschland. Zudem wies er bereits im ersten Monat nach Veröffentlichung auf das MCP Protokoll hin und informierte seine Follower am Gründungstag über die Agentic AI Foundation. Neben seinen Geschäftsführerrollen engagiert sich Tobias Jonas in verschiedenen Fach- und Wirtschaftsverbänden, darunter der KI Bundesverband und der Digitalausschuss der IHK München und Oberbayern, und leitet praxisorientierte KI- und Cloudprojekte an der Technischen Hochschule Rosenheim. Als Keynote Speaker teilt er seine Expertise zu KI und vermittelt komplexe technologische Konzepte verständlich. Wer über die neuesten Entwicklungen im Bereich KI informiert bleiben möchte, sollte ihm auf LinkedIn folgen.

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