26. Juli 2025

Grüne KI: Die Klimabilanz von LLMs im Realitätscheck

Grüne KI: Die Klimabilanz von LLMs im Realitätscheck

Die künstliche Intelligenz revolutioniert Branchen und Geschäftsmodelle. Doch während wir das immense Potenzial von Large Language Models (LLMs) ausschöpfen, rückt eine entscheidende Frage in den Vordergrund: Was ist der ökologische Fußabdruck dieser Technologie? Während die Branche lange über den Energieverbrauch spekulierte, legt das KI-Unternehmen Mistral AI als einer der Ersten umfassende und transparente Daten vor. Ihre detaillierte Lebenszyklusanalyse (LCA) zeigt die realen Auswirkungen von KI auf und liefert damit entscheidende Denkanstöße für die gesamte Branche.

Mistral Large 2 im Kontext: Einordnung der Leistung

Bevor wir in die Umweltdaten eintauchen, ist es wichtig, die Leistungsfähigkeit von Mistral Large 2 zu verstehen. Dieses Modell positioniert sich als direkter Konkurrent zu den bekanntesten Modellen auf dem Markt, wie OpenAIs GPT-4o und Googles Gemini 1.5 Pro. In verschiedenen Benchmarks zeigt Mistral Large 2 eine ebenbürtige oder sogar überlegene Leistung in Bereichen wie logischem Denken, Code-Generierung und mehrsprachiger Verarbeitung. Es ist also kein „Leichtgewicht“, dessen Effizienz auf Kosten der Leistungsfähigkeit geht, sondern ein Spitzenmodell, das in der gleichen Liga wie die Branchenführer spielt. Diese Einordnung ist entscheidend, um die folgenden Nachhaltigkeitsdaten korrekt zu bewerten.

Die Klimabilanz in Zahlen: Einblicke in die Mistral-Studie

Die von Mistral in Kooperation mit der Nachhaltigkeitsberatung Carbone 4 und der französischen Umweltagentur ADEME durchgeführte Studie ist die erste ihrer Art. Sie analysiert den gesamten Lebenszyklus eines LLMs und liefert konkrete Zahlen für drei zentrale Umweltwirkungskategorien:

  • Treibhausgasemissionen: Gemessen in CO₂-Äquivalenten (CO₂e).
  • Wasserverbrauch: Gemessen in Kubikmetern (m³).
  • Ressourcenverbrauch: Gemessen in Antimon-Äquivalenten (Sb eq), einem Standardmaß für den Verbrauch nicht-erneuerbarer Rohstoffe.

Die zwei wichtigsten Ergebnisse der Studie sind:

Der Fußabdruck des Trainings:

Das 18-monatige Training von Mistral Large 2 generierte 20,4 Kilotonnen CO₂e, verbrauchte 281.000 m³ Wasser und 660 kg Sb eq an Ressourcen. Entscheidend hierbei ist, dass diese Zahlen nicht nur den Energieverbrauch der GPUs umfassen, sondern auch „vorgelagerte Emissionen“ – also die Umweltauswirkungen aus der Herstellung der Server, der Kühlung und anderer Infrastruktur.

Der Fußabdruck der Nutzung (Inferenz):

Eine einzelne, durchschnittliche Anfrage an das Modell (ca. 400 Token) verursacht 1,14 gCO₂e, 45 ml Wasser und 0,16 mg Sb eq.

Wichtige Erkenntnisse und der Weg zu einem Standard

Über die reinen Zahlen hinaus liefert die Studie wichtige Erkenntnisse für die gesamte KI-Branche. Die Analyse zeigt eine starke Korrelation zwischen der Modellgröße und dem ökologischen Fußabdruck. Ein Modell, das zehnmal größer ist, erzeugt für die gleiche Aufgabe tendenziell auch zehnmal höhere Umweltauswirkungen.

Die Autoren betonen, dass die Studie eine „erste Annäherung“ sei, da es noch an etablierten Standards und öffentlich verfügbaren Daten, insbesondere zur Ökobilanz von GPUs, mangelt.

Basierend auf ihren Erkenntnissen schlägt Mistral einen Weg zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit vor:

  • Standardisierte Kennzahlen: Um Modelle vergleichbar zu machen, sollten drei Indikatoren im Fokus stehen: die absoluten Auswirkungen des Trainings, die marginalen Kosten der Inferenz und das Verhältnis der gesamten Inferenz-Auswirkungen zum gesamten Lebenszyklus.
  • Entwicklung von Industriestandards: Die Branche sollte gemeinsam an international anerkannten Rahmenwerken arbeiten. Dies könnte zur Schaffung eines Scoring-Systems führen, das Nutzern hilft, die ressourcenschonendsten Modelle zu identifizieren.
  • Veröffentlichung der Daten: Mistral verpflichtet sich, die Ergebnisse in der öffentlichen Datenbank „Base Empreinte“ der ADEME zugänglich zu machen und so einen Referenzpunkt für zukünftige Analysen zu schaffen.

Fazit: Ein entscheidender Schritt für eine nachhaltige KI

Die von Mistral AI vorgelegte Studie ist mehr als nur eine Umweltbilanz. Sie ist ein fundamentaler Beitrag zur dringend benötigten Transparenz im KI-Sektor. Indem konkrete, nachvollziehbare Daten für ein Spitzenmodell offengelegt werden, entsteht eine Grundlage für eine informierte Diskussion über die Nachhaltigkeit von künstlicher Intelligenz. Die Ergebnisse zeigen, dass die Umweltauswirkungen signifikant sind, aber auch, dass sie durch Effizienz und die Wahl des richtigen Modells beeinflusst werden können. Diese Pionierarbeit ist ein entscheidender erster Schritt, um das explosive Wachstum der KI-Technologie mit den globalen Klimazielen in Einklang zu bringen.

Quelle: https://mistral.ai/news/our-contribution-to-a-global-environmental-standard-for-ai

  • Tobias Jonas

    Tobias Jonas, M.Sc. ist Mitgründer und Co-CEO der innFactory AI Consulting GmbH. Er ist ein führender Innovator im Bereich Künstliche Intelligenz und Cloud Computing. Als Co-Founder der innFactory GmbH hat er hunderte KI- und Cloud-Projekte erfolgreich geleitet und das Unternehmen als wichtigen Akteur im deutschen IT-Sektor etabliert. Neben seinen Geschäftsführerrollen engagiert sich Tobias Jonas in verschiedenen Fach- und Wirtschaftsverbänden, darunter der KI Bundesverband und der Digitalausschuss der IHK München und Oberbayern, und leitet praxisorientierte KI- und Cloudprojekte an der Technischen Hochschule Rosenheim. Als Keynote Speaker teilt er seine Expertise zu KI und vermittelt komplexe technologische Konzepte verständlich.

    Tobias Jonas

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