1. Dezember 2024

Quanten-KI: Ein Blick in die Zukunft von Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern

Quanten-KI: Ein Blick in die Zukunft von Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Computerprobleme gelöst werden können, die heute als unlösbar gelten. Eine Welt, in der die Grenzen der Datenverarbeitung neu definiert werden und Künstliche Intelligenz (KI) Herausforderungen meistert, die bisher unvorstellbar waren. Diese Vision rückt mit der Entwicklung von Quantencomputern und ihrer Verbindung mit KI immer näher. Quanten-KI könnte die nächste große Revolution in der Technologie sein, vergleichbar mit dem Sprung von herkömmlichen CPUs zu GPUs durch Unternehmen wie NVIDIA. Doch was bedeutet das für Unternehmen, und wie können sie sich darauf vorbereiten?

Was sind Quantencomputer?

Die Grundlagen der Quantenphysik

Quantencomputer basieren auf den Prinzipien der Quantenmechanik, einem Zweig der Physik, der das Verhalten von Partikeln auf atomarer und subatomarer Ebene beschreibt. Anders als in der klassischen Physik, in der Objekte einen bestimmten Zustand haben, können in der Quantenwelt Teilchen in mehreren Zuständen gleichzeitig existieren.

Qubits statt Bits

In klassischen Computern wird Information in Bits gespeichert, die entweder den Wert 0 oder 1 haben. Quantencomputer verwenden hingegen Qubits (Quantenbits), die dank des Prinzips der Superposition gleichzeitig den Zustand 0 und 1 annehmen können. Dies ermöglicht es Quantencomputern, eine enorme Anzahl von Zuständen gleichzeitig zu verarbeiten.

Superposition und Verschränkung

Die Superposition erlaubt es Qubits, mehrere Zustände gleichzeitig einzunehmen. Dies führt zu einer exponentiellen Steigerung der Rechenleistung bei bestimmten Problemstellungen. Die Verschränkung ist ein weiteres quantenphysikalisches Phänomen, bei dem zwei oder mehr Qubits so miteinander verbunden sind, dass die Änderung des Zustands eines Qubits sofort den Zustand des anderen beeinflusst – unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen. Diese Eigenschaften ermöglichen es Quantencomputern, Berechnungen durchzuführen, die für klassische Computer in dieser Form unerreichbar sind.

Aktueller Stand der Quantencomputer

Erste Erfolge mit wenigen Qubits

Obwohl Quantencomputer noch in den Kinderschuhen stecken, gibt es bereits funktionierende Systeme mit einer begrenzten Anzahl von Qubits. Unternehmen wie IBM (Beitragsbild), Google und andere haben Quantencomputer entwickelt, die einfache Berechnungen durchführen können. Diese Systeme sind noch nicht leistungsfähig genug für komplexe kommerzielle Anwendungen, zeigen aber das Potenzial der Technologie.

Python-SDKs und erste Gehversuche

Für Entwickler und Forscher gibt es bereits die Möglichkeit, mit Quantencomputern zu experimentieren. Tools wie Qiskit von IBM ermöglichen es, Quantenalgorithmen in Python zu programmieren und auf echten Quantencomputern oder Simulationen auszuführen. Diese SDKs (Software Development Kits) bieten eine Plattform, um die Grundlagen des Quantencomputings zu erlernen und erste Anwendungen zu entwickeln.

Herausforderungen

Eine der größten Herausforderungen bei Quantencomputern besteht darin, den Zustand der Qubits zu messen, ohne sie zu stören. Der Quantenzustand ist äußerst fragil und kann schon durch kleinste Einflüsse von außen verändert werden. Dies macht es schwierig, stabile und zuverlässige Quantencomputer zu bauen. Zudem müssen Qubits vor äußeren Einflüssen wie Temperaturänderungen oder elektromagnetischen Feldern geschützt werden, was oft extreme Bedingungen erfordert. Der Bau eines Quantencomputers, der leistungsstark genug ist, um praktische Probleme zu lösen, erfordert die Skalierung auf viele Qubits. Jeder zusätzliche Qubit erhöht jedoch die Komplexität und das Potenzial für Fehler. Die Entwicklung effektiver Fehlerkorrekturverfahren ist daher ein zentrales Forschungsgebiet.

Beispiel: Das Problem des Handlungsreisenden

Ein anschauliches Beispiel für die Anwendung von Quanten Computer ist das Problem des Handlungsreisenden (Traveling Salesman Problem, TSP). Dieses Problem gehört zur Klasse der NP-Probleme (nicht-deterministisch polynomialzeitlich), bei denen es darum geht, die kürzeste Route zu finden, die eine Reihe von Städten besucht und am Ausgangspunkt endet. Klassische Computer können dieses Problem nur durch Näherungsverfahren lösen, da die Anzahl der möglichen Routen mit der Anzahl der Städte exponentiell wächst. Quantencomputer könnten jedoch in der Lage sein, dieses Problem effizient zu lösen, indem sie alle möglichen Routen gleichzeitig berechnen und die optimale Route finden. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf Bereiche wie Logistik und Navigationssysteme haben, wo es derzeit oft nur suboptimale Lösungen gibt.

Beispiel: Kryptographie und Quantencomputer (Post-Quantum-Kryptographie)

Ein weiteres anschauliches Beispiel für die Auswirkungen von Quantencomputern ist die Kryptographie, die Grundlage der Sicherheit im Internet und im Online-Banking. Heutige Verschlüsselungsverfahren wie RSA, ECC (Elliptic Curve Cryptography) und AES (Advanced Encryption Standard) basieren auf mathematischen Problemen, die für klassische Computer schwer zu lösen sind. Diese Probleme gehören zur Klasse der NP-Probleme (nicht-deterministisch polynomialzeitlich), die sich durch klassische Computer nur schwer oder gar nicht effizient lösen lassen. Da die meisten der heute verwendeten Verschlüsselungsverfahren nicht für die Bedrohungen durch Quantencomputer ausgelegt sind, ist die Entwicklung von Post-Quantum-Kryptographie (PQC) ein dringendes Forschungsfeld. PQC-Verfahren basieren auf mathematischen Problemen, die auch für Quantencomputer schwer zu lösen sind, wie z.B. Gitterprobleme, Code-basierte Kryptographie und Hash-basierte Signaturen.

Was ist Quanten-KI?

Die Verbindung von Quantencomputern und Künstlicher Intelligenz

Quanten-KI bezieht sich auf die Anwendung von Quantencomputing zur Verbesserung von KI-Methoden, insbesondere des maschinellen Lernens. Durch die Nutzung der quantenmechanischen Eigenschaften von Qubits könnten Algorithmen entwickelt werden, die schneller lernen und komplexere Muster erkennen als ihre klassischen Gegenstücke.

Potenzielle Vorteile

Die Fähigkeit von Quantencomputern, bestimmte Berechnungen schneller durchzuführen, öffnet Türen zu Lösungen, die bisher außerhalb unserer Reichweite lagen. Beispielsweise könnten Optimierungsprobleme in der Logistik, wie die optimale Routenplanung für Lieferungen, effizienter gelöst werden. In der Finanzbranche könnten komplexe Risikomodellierungen schneller und genauer durchgeführt werden. In Bereichen wie der Materialwissenschaft oder der Medikamentenentwicklung könnten Quantencomputer die Simulation von Molekülen ermöglichen, die für klassische Computer zu komplex sind. Dies könnte zu neuen Materialien oder Medikamenten führen, die bisher unentdeckt blieben.

Quanten-Computer für Unternehmen

Bis marktreife Quantencomputer verfügbar sind, wird noch einige Zeit vergehen. Dennoch ist das Forschungsfeld enorm spannend, da sich damit Probleme lösen lassen, die heute als unlösbar gelten. Ein Beispiel ist die Sicherheit des gesamten Internets: Quantencomputer könnten bestehende Verschlüsselungsmethoden knacken, was die Entwicklung von Post-Quantum-Kryptographie zu einem kritischen Forschungsbereich macht. Tatsächlich ist die Forschung an Quantencomputern und Post-Quantum-Kryptographie derzeit noch umfangreicher als die an Quanten-KI.

Realistisch gesehen ist der Einstieg in Quantencomputing oder die Entwicklung von Quanten-KI für die meisten Unternehmen derzeit noch nicht möglich oder wirtschaftlich sinnvoll. Dennoch sollte man das langfristige Potenzial nicht unterschätzen und das Thema zumindest im Auge behalten. Quantencomputer sind ein riesiges Forschungsfeld und könnten die Hochleistungscomputer von morgen sein. Unternehmen, die bereits heute experimentieren möchten, können Python-SDKs wie Qiskit verwenden und erste Qubits bei Hyperscalern wie IBM, Google, Amazon Web Services oder Microsoft Azure berechnen. Dies ermöglicht es, erste Erfahrungen zu sammeln und sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Update 13.12.2024

Quanten Chip von Google vorgestellt – Was kann „Willow“

Google hat kürzlich seinen neuesten Quantenchip namens „Willow“ vorgestellt, der durch seine bahnbrechende Leistung zwei wesentliche Meilensteine erreicht. Erstens vermag Willow die Fehler exponentiell zu reduzieren, wenn die Anzahl der Qubits erhöht wird, was ein zentrales Problem in der Quantenfehlkorrektur löst, an dem Forscher seit fast drei Jahrzehnten arbeiten. Zweitens hat Willow eine Standard-Benchmark-Berechnung in weniger als fünf Minuten abgeschlossen, die auf heutigen Supercomputern etwa 10 Septillionen Jahre benötigen würde – eine Zahl, die das Alter des Universums weit übersteigt. Diese Fortschritte unterstreichen, dass Willow einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu kommerziell relevanten Quantenanwendungen darstellt und das Potenzial hat, wissenschaftliche Entdeckungen voranzutreiben sowie komplexe gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Mit 105 Qubits und einer verbesserten Fehlerkorrektur zeigt Willow, dass der Bau nutzbarer, großskaliger Quantencomputer Realität wird und näher an praktischen, überklassischen Algorithmen rückt, die auf herkömmlichen Computern nicht erreichbar sind.

  • Tobias Jonas

    Tobias Jonas, M.Sc. ist Mitgründer und Co-CEO der innFactory AI Consulting GmbH. Er ist ein führender Innovator im Bereich Künstliche Intelligenz und Cloud Computing. Als Co-Founder der innFactory GmbH hat er hunderte KI- und Cloud-Projekte erfolgreich geleitet und das Unternehmen als wichtigen Akteur im deutschen IT-Sektor etabliert. Neben seinen Geschäftsführerrollen engagiert sich Tobias Jonas in verschiedenen Fach- und Wirtschaftsverbänden, darunter der KI Bundesverband und der Digitalausschuss der IHK München und Oberbayern, und leitet praxisorientierte KI- und Cloudprojekte an der Technischen Hochschule Rosenheim. Als Keynote Speaker teilt er seine Expertise zu KI und vermittelt komplexe technologische Konzepte verständlich.

    Tobias Jonas

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